Der aufmerksame Leser hat bereits anhand des Titels gemerkt, dass es in diesem Artikel nicht nur um den Fussball als Sport geht. Vielmehr ist es eine Liebeserklärung an den unterklassigen Fussball und die zweite Mannschaft des FC Luzern.
Für einige Nichtstädter mag es eine Überraschung sein, dass sich hinter dem grossen neuen Stadion nicht nur die alte LUMAG-Tribüne befindet, sondern wenige Meter weiter ein “drittes” Stadion steht. Nicht ganz so gross wie sein grosser Bruder nebenan, aber mit offiziell 3000 Sitz- und 4000 Stehplätzen auch nicht winzig. Der Einfachheit halber und weil dieses Stadion mehr an die alte Allmend erinnert als das neue mit den drei farbigen Punkten, wird dieses Stadion in diesem Artikel mit “Allmend” bezeichnet.
An Spieltagen ist die Allmend frei zugänglich. Keine Gitter, keine Drehkreuze und auch keine übermotivierte Sicherheitsleute. Vor den Zugängen zur Sitzplatztribüne warten lediglich Spieler aus jüngeren Nachwuchskadern und ein älterer Herr mit den Spielprogrammen. Der Eintritt ist für alle mit einer Saisonkarte der ersten Mannschaft frei. Angesichts dessen, was sonst in den modernenen Stadien alles verkauft wird und nicht zuletzt auch im Wissen ob der Preispolitik des FC Luzerns ist dies nicht selbstverständlich. Von allen anderen ohne Saison-Abo werden zehn Franken verlangt. Der ältere Herr mit den Spielprogrammen beginnt nach dem Anpfiff mit seiner Runde durch das Stadion und überprüft, ob alle Zuschauer den Eintrittspreis gezollt haben. Tatsächlich gibt es Leute, welche versuchen diese Zahlung zu umgehen. Ohne jemanden beschuldigen zu wollen ist es dennoch auffällig wenn bei der 20-minütigen Kontroll-Tour Personen im gleichbleibenden Abstand vor dem Kassierer herlaufen.
Im Stadion selber gibt es freie Platzwahl. Die meisten Zuschauer setzen sich entweder irgendwo auf die schattige Haupttribüne oder aber auf die sonnige und offene Gegentribüne. Im Sommer geniessen Sonnenliebhaber auf der angrenzenden Wiese und auf Badtüchern das Wetter und daneben turnen Kinder auf den Hochsprungmatratzen. Die Platzwahl auf der Haupttribüne ist allerdings nur vermeintlich frei. Eine ungeschriebene Regel besagt, dass man sich auf einer Tribüne mit genügend freien Plätzen versetzt hinzusetzen hat, also jeweils mit einem freien Platz links und rechts. Die Reihen ober- und unterhalb verschieben sich um je eine Position, womit jeder auch genügend Beinfreiheit hat. Personen, welche bewusst oder unbewusst das Muster zerstören, werden nicht selten von den anderen geächtet. Böse Zungen behaupten, dass der Grund hierfür lediglich derjenige ist, dass es so von aussen nach mehr Zuschauern aussieht. Allerdings ist die Begründung wohl eher auf dem Männer-WC zu finden. Dort stellt man sich schliesslich auch nie an das mittlere von drei Pissoirs. Ausser es ist nur noch dieses frei. In diesem Fall dem Drang zu wiederstehen wäre peinlich. Jaja, der Mann ist kein einfaches Geschöpf.
Das Rahmenprogramm
Selbst wenn auf dem Feld nicht viel los ist, bietet die Allmend beste Unterhaltung. Manchmal erkennt man auf einem der Nebenplätze, auf welchen oftmals gleichzeitig gespielt wird, ein Tor oder man entdeckt einen Wildpinkler. Die Leichtathletikbahn rund um das Feld lädt zudem Sportbegeisterte und Kinder ein den freien Platz auf ihre eigene Art und Weise zu nutzen. Kinder liefern sich Fahrradrennen oder veranstalten sonstige unterhaltsame Wettbewerbe untereinander. Ausdauernden Läufern oder Läuferinnen wird ab und zu auch zugeklatscht oder interne Wetten auf die Rundenzeiten abgeschlossen. In einem Raum im angrenzenden uringelben Neubau hat sich der LSC mit seinem Vereinslokal einquartiert. Dieses hat an den allermeisten Heimspielen auch für die Fans des FC Luzern II geöffnet. Ganzjährig kriegt man hier sein Bier und an wärmeren Tagen die Wurst vom Grill. Bezahlt wird mit Bargeld. Wenn man ganz viel Glück hat trifft ein Spieler des LSC die Entscheidung sich als Bierjunge zu versuchen und liefert die kalten Getränke direkt an den Platz. Obwohl der FC Luzern II auf der Allmend spielt, schickt die Stadt Luzern dem LSC die Rechnung für die Reinigungskosten.
In einem wunderbar ulkigen Dialekt eines Italo-Schweizers und einer etwas nasigen Aussprache gibt der der sympathische und kompetente Stadionspeaker die Aufstellungen bekannt, kommentiert alle Auswechslungen und Tore und sorgt alleine mit seiner Art nicht selten für beste Unterhaltung. An manchen Samstagen trägt er in der Halbzeitpause zusätzlich die Zwischenresultate der Bundesliga vor. Dann warten alle gespannt auf die Resultate von “Gröite Füt” oder “Erste FC Goln”.
Hier, im Schatten und der Anonymität der ersten trägt die zweite Mannschaft des FC Luzern seine Heimspiele in der ersten Liga aus. Ein wunderbares und noch unschuldiges Fussballstadion mit einer bemerkenswerten Akustik.
Eine Liga für Fussballromantiker
Auf dem Spielfeld ist die Qualität des Fussballs natürlich nicht vergleichbar mit den Dienstags- und Mittwochsspielen der Champions League. Aber die Stars, welche man unter der Woche im Fernseher sieht, durchliefen einst eine Nachwuchsabteilung. Ibrahimovic, Ronaldo oder Neuer waren nicht auf einmal Welstars. Jede Karriere beginnt als Kind. Die zweite Mannschaft ist die letzte Alterskategorie für einen Nachwuchsspieler des FC Luzern. Auf dieser Stufe werden die neuen Fussballhelden geboren. Hier muss man zeigen, ob man das Zeug zum Fussballprofi hat. Der Sprung in den Profifussball ist gross und er wird in den nächsten Jahren bestimmt nicht kleiner. Deshalb muss ein Spieler hier alles geben. Während auf der einen Seite junge Menschen versuchen eine Karriere zu lancieren, beenden auf der anderen Seite ältere Spieler die ihrige. In vielen Mannschaften findet man ehemalige Profis mit für Fussballfans bekannten Namen. So traf man als Begleiter der zweiten Mannschaft beispielsweise schon auf Moreno Merenda oder Carlos Varela. An ältere Zeiten wird man aber vor allem dann erinnert, wenn im gegnerischen Team ein Tchouga, ein Lambert oder der Fussballgott schlechthin, Pascal Bader, gegen das eigene ankämpft. Beim grossen Mehr der Vereine, der Nicht-Nachwuchsmannschaften, handelt es sich vereinfacht gesagt um Ambitionierte 4. Ligisten. Das Niveau ist nicht schlecht, aber man sieht weshalb es den einzelnen Spielern nicht gereicht hat. Aber der Fussball wird von den Spielern und deren Fans genauso leidenschaftlich geführt, wie im Profi-Geschäft. Allerdings alles eine Spur ehrlicher.
Auch auswärts ist die erste Liga eine Reise wert. In Solothurn trifft man auf eine der besten Vereinshymnen der Schweiz, wovon sich andere Clubs eine Scheibe abschneiden könnten. Der FC Solothurn hat auch eine kleine aktive oder halbaktive Fangruppe. Vielleicht ist sie gar nicht wirklich aktiv, aber von ausserhalb betrachtet ist sie auf jeden Fall lustig. Mir ist zudem kein Verein bekannt mit mehr lokalen Matchballsponsoren. In Grenchen wetten die Einheimischen am Stammtisch darauf, wie hoch ihre Mannschaft verliert. Und beim FC Bern findet man mit dem Stadion Neufeld eines der schönsten Stadien. Auch Büne Huber könnte an der ersten Liga vielleicht noch Gefallen finden. In Zug wurde FCL-Spieler Knezevic von den einheimischen Fans lauthals ausgebuht, als er einer seiner Gegenspieler zum Notarzt foulte. Zumindest dieser Stefan Knezevic ist keine “Pussy”. Im Spiel gegen den SC Buochs musste er mit einer scharlachroten Karte vom Platz. Er war aber nicht der einzige. In der Nachspielzeit folgten ihm 3 weitere. Einer davon war sein Bruder Nikola vom SC Buochs. Das Spiel endete mit 3:2 für den FC Luzern. Ein Gänsehautspiel. Das ist Fussball!
Am kommenden Sonntag kommt mit Silvan Aegerter vom FC Münsingen ein weiterer “Ehemaliger” auf die Allmend. Seine Mannschaft tritt im Spitzenkampf gegen die zweite Mannschaft des FC Luzern an. Die LU21 geht als Leader und mit einem Punkt Vorsprung in dieses Spiel. Acht Spiele vor Ende der Meisterschaft also die perfekte Ausgangslage, um sich an einem Aufstiegsplatz festzukrallen. Aufsteigen kann “s’Zwöi” allerdings nur dann, wenn in der Promotion League gleichzeitig eine andere Nachwuchsmannschaft auf einen Abstiegsplatz fällt und man selber die beste Nachwuchsmannschaft aller drei Gruppen der ersten Liga ist. Gegen den Abstieg kämpfen aktuell Sion II, St. Gallen II und FC Zürich II und sind nur gerade zwischen 0 und 5 Punkten vom Strich entfernt. Mit GC II duelliert sich eine weitere Mannschaft in der ersten Liga um den Aufstieg, liegt allerdings noch einen Punkt hinter Luzern.
Luzern II hat 7 der letzten 8 Begegnungen gewonnen und sich in den 18 Meisterschaftsspielen das zweitbeste Torverhältnis (43:19) aller 42 1.Liga-Mannschaften erkämpft. Im letzten Spiel vor diesem Rüttler erzielte Yesil alle 3 Tore.
Das Spiel findet am Sonntag um 14.30 Uhr im Leichtathletikstadion statt.
Nun noch eine persönliche Anmerkung zum Schluss:
Eine gute Männer-WG hat zwei Sachen: Bier und Durst. Unsere hat zusätzlich ein Alkohol-Messgerät, um zu messen wer am Vorabend am meisten Durst hatte und wer am anderen Tag mit dem Auto neues Bier holen muss. Vor einigen Wochen wollten wir aber mit dem Auto nach Muri, um das Auswärtsspiel der LU21 zu sehen. Schnell war klar, dass an diesem Sonntag keiner mit dem Auto fahren wird. Der eine, mit dem geringsten gemessenen Wert freute sich nach der Messung, dass er nicht fahren durfte, der andere war überrascht, dass er noch so viel intus hatte und der dritte feierte seinen Promille-Sieg. Kurzerhand mussten wir einen fahrtüchtigen Fahrer suchen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an all die Fahrer, an die Bierholer, an die zweite Mannschaft, den Staff, die Schnapsleichen, den Speaker, die Kassierer, die Amateursportler, die hübschen Frauen, die Architekten dieser wunderschönen Stadien, an den LSC und an den FC Luzern selber.