Vor einigen Tagen machte eine Rangliste – erschienen im Fussballmagazin Zwölf – die Runde in diversen Schweizer Fussballforen. Die Rubrik “Zählbares” war dieses Mal aus Luzerner Sicht besonders interessant:
(Für bessere Lesbarkeit, draufklicken!)
Ok, auf den ersten Blick halt wiedermal eine Statistik, die der FCL anführt – von hinten, versteht sich. Klar, mit Basel kann und will man nicht mithalten (wo der Europacup Alltag wird, kann man ihn ja niemals so wunderbar geniessen, wie wir es jeweils tun). Dass auch Sitten, YB, GC, der FCZ und Co. in Sachen Europapokal Meilenweit voraus sind, war ebenfalls absehbar. Etwas zermürbender wirkt die Tatsache, dass auch Clubs wie St. Gallen, Lugano oder Thun uns problemlos den Rang ablaufen.
0.77 Punkte pro Match. Im Schnitt zwei Unentschieden und eine Niederlage in drei Partien. Oder jeden vierten Match mal gewonnen. Natürlich, möchte man einwenden, muss man die jeweiligen Gegebenheiten, die Rundenzahl oder auch den Gegner berücksichtigen, um ein vergleichbares Bild zu erhalten. Und in der Tat: Die eher durchwachsene Bilanz hat man tatsächlich nicht gegen Underdogs wie Real und Bayern eingefahren. Wohlgemerkt, die Gegner waren internationale Grössen von Format: der FC St. Johnstone, der KRC Genk oder auch der VfB Admira Wacker Mödling.
Der FCL feierte trotz latentem Los-Pech auch Erfolge. So etwa spielte man im Viertelfinal der ersten jemals stattfindenden Austragung des Cupsieger-Cups. Zugegeben, der Viertelfinal war im Jahr 1960 noch die erste Runde, aber das soll den gelungenen Effort auf keinen Fall schmälern. Gegen die Fiorentina schied man nach tapferem Kampf haarschaft mit 0:3 und 2:6 aus. Doch im Ernst: Der erste Auftritt des FCL auf europäischer Bühne war ein düsteres Omen für das, was in den kommenden 55 Jahren noch folgen würde.
Der FC Luzern bestritt in seiner mittlerweile 114-jährigen Clubgeschichte – rechnet man den Intertoto-Cup nicht mit ein – deren 22 Spiele auf europäischem Parkett. Einmal durfte man im Landesmeister-Cup (dem Vorläufer der heutigen Champions League) antreten, viermal im Pokal der Pokalsieger und sechs Runden im UEFA-Cup bzw. der heutigen Europa League, bestreiten. Nach einem ersten Schnuppern nach dem Cupsieg 1960 folgte die “grosse” europäische Ära in den goldenen Jahren rund um den Schweizermeistertitel 1989 und den zweiten Cuperfolg 1992. Sagenhafte sechs Runden bestritt Luzern binnen sieben Jahren. 1997 konnte der FCL – trotz Cupfinal-Niederlage – nochmals im Cup der Cupsieger antreten. Anschliessend war über 10 Jahren tote Hose. Erst seit 2010 durften der Verein und seine Fans wieder im Zweijahresturnus europäisch mittun.
Von 22 Spielen gingen deren 14 Partien verloren, viermal trennte man sich unentschieden und gerademal vier Partien konnte man für sich entscheiden. In neun Partien erzielte der FCL überhaupt kein Tor, in elf Auswärtsspielen konnte der mitgereiste Anhang ganze neun Mal ein Tor bejubeln. In der Regel war es Resultatkosmetik. Kein einziges Spiel auf fremdem Terrain konnte Blau-Weiss gewinnen. Immerhin, in drei Partien reichte es zu einem Remis. Alle vier Siege resultierten aus Heimspielen. Sechs Spiele gingen daheim verloren, das letztjährige 1:1 gegen St. Johnstone war das erste Heimremis in UEFA-Wettbewerben.
In zwei Duellen konnte sich Luzern durchsetzen und eine Runde vorrücken. Zum einen 1990 gegen den MTK Budapest und zum anderen 1992 (als B-Ligist) gegen das bulgarische Spitzenteam von Lewski Sofia. Als Belohnung erhält der FCL in der folgenden Runde Feyenoord Rotterdam zugelost. Über 2000 der gefürchteten Feyenoord-Anhänger reisen zum Hinspiel nach Luzern. Die Allmend wird aufgerüstet, um dem gefürchteten Mob Herr zu werden. Drei Meter hohe Gitterwände umzäunen den Gästesektor. Zwischen Luzern- und Feyenoord-Block wird ein zweieinhalb Meter breiter Sicherheitskorridor eingerichtet, der von Stacheldraht und Polizisten mit Hunden gesichert wird. Die Polizei führt Grosskontrollen unter holländischen Autofahrern durch, zieht verschiedenste Waffen ein. Der Rotterdamer-Mob tobt im Stadion trotzdem. Der FCL gewinnt in einem von den Rängen aufgeladenen Spiel mit 1:0. Das unterklassige Luzern besiegt das Star-Ensemble sensationell.
Es war dies der bisher einzige grosse Sieg auf europäischem Parkett für die Luzerner. Ganze 23 Jahre ist er nun schon her. Das Rückspiel in Holland ging trotz zwischenzeitlichem 1:1-Ausgleich mit 1:4 verloren. Genauso viele Gegentore wie FCL-Goalie Beat Mutter kassiert, so viele Zähne verliert er während des gehässigen und bisweilen ziemlich unsportlichen Rückspiels. Sie müssen nach Spielende noch lange gesucht werden. Bereits vor dem Spiel werden FCL-Spieler von Feyenoord-Fans attackiert.
Die Mannschaften Südosteuropas scheinen Luzern zu liegen. Überall sonst setzt es nur eines ab: Rückschläge. Ob Italien, Holland (bereits 3x), Belgien, Schottland (St. Johnstone war der erste Gegner von den Inseln), Tschechien, Österreich oder die Sowjetunion, Gegner aus diesen Ländern bedeuteten jeweils Endstation für Blau-Weiss.
Vor diesem Hintergrund ist es also gar nicht mal so klar, dass sich letzten Sommer (nicht wenige ärgern sich bis heute) alle so dermassen enttäuscht und aufgeregt gezeigt haben, als gegen St. Johnstone nach einer Runde bereits wieder Schluss war. Hey, wir haben zwei Zähler geholt! Statistisch gesehen war diese Runde ausgesprochen erfolgreich!
Und nun kommt also das Zwölf und versucht anhand einer (unvollständigen!) Statistik, unseren Club in die Verliererecke zu stellen. Das lassen wir uns nicht gefallen. Dazu berufen, dem Image unseres Vereins, der schliesslich seit Jahren für sachliche und solide Arbeit steht, etwas Gutes zu tun, haben wir uns auf die Suche gemacht. UNSER AUFTRAG: Wir finden jemanden, der noch schlechter ist. Irgendjemanden muss es doch geben…
Da wären doch mal die durch und durch konkursiven Vertreter aus der Romandie, deren Glanz von anno Tobak heute verblasst ist.
Zum Beispiel Servette. Doch ein nur flüchtiger Blick auf die Europacup Bilanz des derzeit immer noch zweitplatzierte in der ewigen Rangliste der höchsten Schweizer Spielklasse zeigt: Servette konnte zu den grossen Zeiten zu Haufen europäische Erfolge feiern.
Auch die beiden anderen ehemals grossen Teams aus der Romandie, Lausanne und Xamax liegen – wenig überraschend – ausser Reichweite. Ein Blick auf Wikipedia zeigt, dass da keine “0.77-Pünktli-pro-Match”-Mannen am Werk waren. Da muss man gar nicht erst nachrechnen, die beiden reihen sich definitiv auch oberhalb Luzerns ein. Lausanne konnte sich erst noch 2010/11 gegen den haushohen Favoriten Lokomotive Moskau für die Gruppenphase der Europa League qualifizieren. Für Luzerner bleibt sowas ein feuchter Traum.
Auch um Xamax wurde es ruhiger, aber die Neuenburger haben in ihrem Palmares immerhin Siege gegen Galatasaray und Real Madrid stehen. In den 80er Jahren stand man zweimal im Viertelfinale des UEFA-Cups und zweimal im Achtelfinale des Landesmeisterpokals.
Suchen wir also weiter und wir treffen auf ein kleines Kaff im Aargau. Nein, Aarau ist nicht gemeint. Der FCA, in der Regel zuverlässig noch beschissener als wir, hat die bessere Europacupbilanz: 0.96 Punkte pro Spiel um genau zu sein. Darunter ein Unentschieden gegen Milan und ein Heimsieg gegen Omonia Nikosia. Die eigentliche Rede ist vom FC Wettingen. Die Wettinger wurden in der Saison 1988/89 vierter in der Nationalliga A und qualifizierten sich für den UEFA-Cup. Dort traf man in der 2. Runde auf den SSC Neapel, bei dem Diego Maradona spielte, und erreichte im Hinspiel (ausgetragen in Zürich) ein 0:0, schied aber im Rückspiel in Neapel durch eine 1:2-Niederlage aus. Weitergekommen sind sie allerdings in der Runde zuvor gegen Dundalk aus Irland. Sieben Punkte aus vier Spielen. Ebenfalls vor uns.
Es gibt da noch so andere einstige Grössen des Schweizer Fussballs. Zum Beispiel den FC Grenchen, der ein Jahr vor dem FCL 1959 Cupsieger wurde. Der Cupsieger-Cup wurde allerdings erst 1960 eingeführt und deshalb fehlen die europäischen Meriten. Oder der FC Winterthur, immerhin dreimaliger Schweizermeister. Aber auch dessen Erfolge waren lange vor der Einführung europäischer Klubwettbewerbe.
Interessant ist der FC La Chaux-de-Fonds, der seine glorreichen Zeiten in den 1950er und 60er Jahren erlebte und sechsmal den Cup und dreimal die Meisterschaft gewann. Die einzige Europapokal-Teilnahme 1964 war ausgesprochen erfolgreich mit 4 Punkten gegen Saint-Étienne und einem gegen Benfica.
Bleibt noch ein Blick ins Tessin: die AC Bellinzona qualifizierte sich als Cupfinalverlierer gegen den FC Basel 2009 erstmals für einen europäischen Wettbewerb: Sechs Spiele, drei Siege, drei Niederlagen, zweimal weitergekommen. Das hat der FCL auch nach fünf Anläufen nie geschafft.
Hm, das darf‘s ja wohl nicht sein. Noch ein Blick auf die ewige Tabelle. Nordstern, Old Boys, Biel… wir sind mit dem Latein am Ende. Kann es wirklich sein, dass wir die schlechteste Schweizer Mannschaft sind, die jemals an einem europäischen Wettbewerb teilgenommen hat?
NEIN! Die Rettung kommt – unverhofft – aus der Ostschweiz. Der FC Wil! Was für Flaschen! Gegen die Slowaken von Dukla Banská Bystrica hat es gerademal für ein Unentschieden im Heimspiel gereicht. Macht 0.5 Punkte aus zwei Spielen und damit das ultimative Schlusslicht der Schweizer Europapokal-Tabelle.
Die ausgeprägte masochistische Seele der FCL-Fans wünscht sich insgeheim, dass die türkischen Investoren den FC Wil in naher Zukunft zum europäischen Riesentöter mutieren lassen. Dieses weitere Kapitel tragikomischer Luzerner Versagenskultur darf nicht durch den “statistischen Lärm” eines St. Galler-Dorfklubs verzerrt werden.
(Dank geht an Co-Autor LU-57)