Happy Birthday

Enzo, Ciriaco und der Killerbecher

Auch am heutigen 31. August feiert wieder eine schillernde Person Geburtstag, die beim FCL gespielt und für Furore gesorgt hat. Bei der Geschichte, auf die wir heute anlässlich seiner Geburts-Jährung zurückblicken, trägt er allerdings noch die Farben des Gegners. Erst 3 Jahre später läuft er erstmals im Dress des FC Luzern auf. Heute wird er 27 Jahre alt. Dass er seinen 27. Geburtstag tatsächlich noch erleben darf, grenzt an ein kleines Wunder. Ein Attentat hat ihn in jungen Jahren beinahe das Leben gekostet.

Wir zeichnen den Sonntag, 26. Juli 2009. Ein wunderschöner Sommertag. Location: Stadion Gersag, Emmenbrücke. Der erste Match im Ausweichstadion steht an. Derweil nimmt in der Stadt die Verschandelung der Luzerner Allmend ihren Anfang. Das Spiel sorgt bereits im Vorfeld für Schlagzeilen. Es soll nämlich ohne Zuschauer stattfinden. Für den Knallerwurf beim Barrage-Rückspiel zum Ende der Vorsaison wurde dem FCL ein Geisterspiel aufgebrummt. Weil der FCL Rekurs einlegt, wird die Strafe allerdings aufgeschoben.

Debut von Hakan Yakin
Beim ersten Heimspiel der Saison 2009/2010 handelte es sich nicht nur um den ersten Match im Gersag-Ausweichstadion, sondern auch um das erste Spiel von Hakan Yakin im Dress des FCL. Seinen tollen Einstand kürt er mit einem – von Paiva spektakulär eingeleiteten – Kopfballtor, welches das Heimteam in der 50. Minute in Führung bringt. GC kann in der Minute 81 allerdings ausgleichen.

Hüetli-Hools mit Volltreffer
Beim Stand von 1:1 läuft die reguläre Spielzeit aus. Doch das Resultat hat nicht Bestand bis zum Schlusspfiff. Denn was nun folgt, ist Dramatik und Zirkus pur. Und hierbei nimmt das heutige Geburtstagskind, der Uruguayer Enzo Ruiz, eine Schlüsselrolle ein. Von Krämpfen geplagt, muss sich der GC-Spieler hinter dem FCL Gehäuse pflegen lassen. „Entkrampft“ läuft Ruiz daraufhin an der Seitenauslinie entlang in Richtung Spielfeld-Mitte, um wieder in die Partie einzugreifen. Plötzlich sinkt der Krampfgeplagte erneut zu Boden – von einem Bierbecher aus dem Publikum am Kopf getroffen. Ruiz mimt zuerst den sterbenden Schwan, ehe er wieder aufsteht und – zum wiederholten Male – auf den Rasen zurück will. Nun bemerkt Sforza, dass er das Auswechselkontingent bereits ausgeschöpft hat. Der GC-Trainer fordert seinen Spieler lauthals dazu auf, in die Kabine zu gehen. Zudem lässt er bei Schiedsrichter Bertolini wegen „Becherwurf“ Protest einlegen. GC bestreitet die Nachspielzeit also nur noch mit 10 Mann. Derweil gelingt Renggli in der 93. Minute per Foulpenalty der vielumjubelte 2:1-Siegtreffer für Luzern.

Luzern-gegen-GC
Ein grausames Verbrechen. Das Opfer liegt regungslos am Boden. Erste Hilfe ist sofort zur Stelle.

Klare Sache, Maloney äh Sforza
Für GC-Coach Ciriaco Sforza ist dies reine Resultatkosmetik – er rechnet sowieso mit einem Forfaitsieg. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen zeigt er sich schockiert ab den Geschehnissen kurz vor Spielende: “Das esch en volle Bierbächer gsi, woner voll is Gsecht überchond!“ „Es gsed us, dasses Ghernerschötterig esch“, diagnostiziert er Minuten nach dem Vorfall. Daher glaube er, dass man nichts mehr diskutieren müsse, dieser FCL-Sieg werde korrigiert – „Die Sache ist klar!“. Genährt wird die Gefahr, die drei Punkte aberkannt zu erhalten, dadurch, dass es sich beim FCL um einen Wiederholungstäter handelt – ist es doch bereits das zweite Heimspiel in Folge, bei dem Wurfgeschosse aus dem FCL-Fansektor für Turbulenzen sorgen. Nichts desto trotz wird aus dem erhofften GC-Punktgewinn am grünen Tisch nichts. Die SFL entscheidet: Luzern behält die Punkte, wird aber mit einer Busse von 15’000 Franken bestraft.

Nulltoleranz für Killerbecherwerfer
Bestrafen möchte man auch den verantwortlichen Becherschmeisser. Doch der Bierwurf-Attentäter kann nicht eruiert werden. Nach einigen Tagen meldet er sich aber selber beim FCL und entschuldigt sich. Als Dank für seine naive Gutmütigkeit erhält er ein zweijähriges Stadionverbot. Er war zwar bei weitem nicht der einzige, der sich dazu hinreissen liess, Bier nach Ruiz zu schmeissen, aber scheinbar der einzige, der das Ziel effektiv auch getroffen hat. Wenn man bedenkt, dass Ruiz nur ca. 3 Meter von den Zuschauern der Gegengerade entfernt war, eine ziemlich schwache Treffer-Bilanz. Da ist noch Verbesserungspotenzial vorhanden!

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Sammelte Nahtod-Erfahrungen, GC-Spieler Enzo Ruiz, rechts im Bild. Links neben ihm: Die Tatwaffe. Und der Bruder der Tatwaffe (zur Tatzeit noch zu – je nach Quelle – einem Drittel bis komplett gefüllt mit Flüssigkeit – der BND vermutet Bier).

#Shitstorm @Sforza
Ebenfalls Verbesserungspotenzial hat GC-Coach Ciriaco Sforza – im Imagebereich. Bei den FCL-Fans gerät nämlich nicht nur der sterbende Schwan Ruiz, sondern auch sein Dirigent und ehemalige FCL-Trainer Sforza ins Visier der Unmut. Mit seinen Aussagen und seinem Verhalten zieht er den Zorn der blau-weissen Anhänger auf sich. Das Gästebuch auf seiner Homepage muss kurzerhand geschlossen werden. „Mehr als einhundert Postings erreichten uns bis heute zum Fall des Becherwerfers, der am letzten Sonntag einen GC-Spieler traf. Bei vielen Beiträgen war die Grenze zur Beleidigung deutlich überschritten, es gab mehrere massive Gewaltandrohungen“, lautet die Begründung. Und dabei geht es dem quasiheiligen Ciriaco Sforza doch ausschliesslich und nur um die Gesundheit seines Spielers, die er „niemals aufs Spiel setzen würde“. Entsprechend sei Ruiz zu weiteren Abklärungen ins Spital überwiesen worden.

Kumbaja, my Lord, Kumbaja
Geschmacklos: Während die Ärzte in den Tagen nach dem Spiel daran schufften, Ruiz Zustand zu stabilisieren, findet der gemeingefährliche Bierbecher-Wurf Nachahmer. Von Uri bis ins Entlebuch spielen FCL-Fans die ominöse Skandalszene nach und stellen ihre Videos auf Youtube. Das Becherwurf-Opfer wird lächerlich gemacht. Ebenfalls ziemlich pietätlos, wie im FCL-Fanforum über den schwerverletzten Spieler gespottet wird. „Bei einem FCL Schüblig-Wurf wäre Ruiz wohl draufgegangen“, amüsiert sich ein User etwa.

GC lässt die Öffentlichkeit lange im Ungewissen über den Gesundheitszustand von Ruiz. Man rechnet bereits mit dem Schlimmsten, als die NZZ am 30. Juli 2009 die so erfreuliche wie wundersame Meldung verkündet, dass Enzo Ruiz wieder mit der Mannschaft mittrainieren könne – nur 3 Tage nach der verheerenden Killerbecher-Attacke. Die tieferschütternde Geschichte nimmt – Gottseidank – ein gutes Ende.

Kurzaufenthalt beim FCL
Ruiz bleibt nach seinem schwarzen Gersag-Sonntag noch 2 Jahre beim Grasshopper-Club, versucht die Geschehnisse – unbestätigten Quellen zufolge – mit Hilfe von intensiver psychologischer Betreuung zu verarbeiten. Sein Weg führt in anschliessend weiter zur AC Bellinzona, bei welcher er 2011 einen Vertrag unterzeichnet. Auf die Saison 2012/13 leiht ihn Bellinzona an den FC Luzern aus, wo er als Backup für Claudio Lustenberger vorgestellt wird. Enzo Ruiz‘s Aufenthalt beim FCL ist dann allerdings nicht markant länger, als derjenige im Spital drei Jahre zuvor. Noch bevor er von den Fans nach Wohlen oder Kriens verwünscht werden kann, ist er schon wieder weg. Im Dezember 2012 kehrt er zur AC Bellinzona zurück. In den knapp 5 Monaten beim FCL wird Ruiz in gerade mal zwei Partien eingesetzt.

Heute spielt Enzo Ruiz in der zweiten chilenischen Liga. Ob er die schrecklichen Ereignisse des 26. Juli 2009 jemals vergessen kann, ist fraglich. Wir werden sie bestimmt noch lange in Erinnerung behalten – mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

Trotzdem – oder gerade deswegen – Feliz cumpleaños, Enzo Ruiz!

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Die Matchzusammenfassung des Schweizer Fernsehen ist unter dem folgenden Link nachzugucken. Egal ob des galaktischen Führungstreffer wegen, der grossartigen Torjubel willens oder aufgrund der aufbrausend-erbosten Interview-Antworten Sforza’s – diese fünf Minuten und siebenundfünfzig Sekunden lohnen sich auf alle Fälle. Unbedingt antun!

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